Grandioser Schlusspunkt für Kunz-Tage

Das Orchester am Singrün spielte zum Fesitvalende in der Schwandorfer Oberpfalzhalle Werke von Tschaikowsky, Rota und Dvorák.
Von Christina Röttenbacher

SCHWANDORF Es war durchaus gerechtfertigt, dass das renommierte Orchester am Singrün unter der Stabführung von Lutz Landwehr von Pragenau bei den Konrad-Max-Kunz-Tagen den Schlusspunkt setzte. Bei einem Orchester das unter dem Begriff „Laienorchester“ firmiert könnte man, wenn man den Klangkörper noch nicht kennt, von gut gemeinter, engagierter Leistung ausgehen. Das „Orchester am Singrün“ hat bei seinem Auftritt in der Schwandorfer Oberpfalzhalle dem Laienbegriff eine ganz neue Dimension verliehen – im positiven Sinn.

Denn trotz akustischer Qualitätseinbußen, vorgegeben durch die Spielstätte, eröffnete sich den Zuhörern der fast ausverkauften Oberpfalzhalle ein spielfreudiges, klangschönes 70-köpfiges Orchester, das sich feinfühlig und doch kraftvoll den aufgeführten Werken von Peter Iljitsch Tschaikowsky, Nino Rota und Antonín Dvorák intelligent öffnete und die kompositorischen Gemeinsamkeiten und zeitgemäß stilistischen Unterschiede der Werke herausarbeitete. Nur die Halle ließ die Wirkung des vom Orchester brillant umgesetzten, raffinierten Klangfarbenspiels, die Plastizität der Kompositionen nicht recht zu. Es ging die Geschlossenheit des Klangkörpers unter Hörnergetöse und matt klingenden Streichern verloren.

Wer das akustische Manko ausblenden konnte, erlebte aber ein grandioses Konzert, beginnend mit der Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ von Peter Tschaikowsky, der die Tragödie von William Shakespeare musikalisch umsetzte. Dem Abschluss der KMK-Tage gerecht werdend, führte das Orchester das sakral-feierliche Andante, im vorauseilenden Gehorsam der sich anbahnenden Tragödie stets spannungsgeladen die fünf thematischen Sätze der Ouvertüre von der Liebesekstase zu den rhythmisch gewalttätigen Konfliktthemen Kampf, Tod und Verzweiflung. Bewundernswert, wie unter der Stabführung des Dirigenten die Verbindung der Sonatenhauptform mit Fantasie-Tongemälden, die konkreten Figuren Romeo und Julia feinsinnig herausgearbeitet, das Drama in Töne gefasst und die kompositorische Strategie erkennbar wurde.

„Von dem Komponisten Nino Rota habe ich noch nie was gehört“, flüsterte sich das Publikum in der Pause aufgeregt zu, nachdem das „Divertimento Concertante“ für Kontrabass und Orchester verklungen war. Doch, nahezu jeder hat Musik des italienischen, 1911 geborenen Komponisten gehört. Nicht im Konzertsaal, sondern im Kino oder vor dem Fernsehgerät. Rota ist mit seinen Filmmusiken für Frederico Fellini, Luchino Visconti oder Francis Ford Copollas „Der Pate“ berühmt geworden. Um so interessanter war es, den Komponisten von seiner klassischen Seite zu hören. Dafür hatte Lutz Landwehr von Pragenau das anspruchsvolle, aber auch witzige Konzert für Kontrabass in Solostimme und Orchester mit dem jungen Kontrabassisten des Bayerischen Staatsorchesters, Andreas Riepl, ausgewählt.

Eine ausgezeichnete Einschätzung, die von Pragenau dem jungen Musiker entgegen brachte. Er legte sich in den vier Sätzen des Divertimento keinerlei Innovationszwang auf, selbstbewusst forderte er Dirigenten und Orchester dazu auf, ihm durch die markante Marcia, die expressive Andante-Aria und die spieltechnisch anspruchsvollen Rahmensätze zu folgen. Der junge Kontrabassist jagte förmlich durch Skalen, Arpeggien, Flageolets und Doppelgriffe und stellte sein Ernst Liebig Instrument von 1868 als wandlungsfähiges Soloinstrument vor.

Mit dem wuchtigen Werk, der Sinfonie Nr. 7 in d-Moll von Antonín Dvorák setzte das Orchester an Singrün sein Konzert der kompositorischen Gleichheiten wie stilistischen Unterschiede fort. Brillante Intonation und detaillierte Gestaltung zeichneten den letzten Konzertteil, in dem sich das Orchester noch einmal steigerte, aus. Durchsichtig wurden das Satzgeflecht herausgearbeitet und die musikalischen Übergänge verwirklicht. Selbst in den „vertrackten“ Passagen behielten die Musiker ihre Konzentration, was sich besonders im zweiten, langsamen Satz dem „Poco adagio“ und im Bemühen einer Steigerung, einem Spannungsaufbau im Fortissimo offenbarte. Ganz im Sinne der Partitur, gelang dem Orchester das, was auch in der Partitur zu lesen ist: eine schnörkellose aber emotionale Musik, ohne die Emotionen Herr über die Musik werden zu lassen. Das war donnernden Applaus wert.

MZ, Meldung vom 16.11.2014:

Originalartikel