WÖLLERSHOF

Jubiläum mit titanischen Impressionen

Singrün-Orchester spielt in Wöllershof Schubert und Mahler und darf im Applaus baden

Wöllershof. (apz) Wann gibt es das schon, dass zwei Jubilare gemeinsam feiern, und dabei der eine noch für den anderen musiziert? Würde das 25-jährige Bestehen des Regensburger Singrün-Orchesters und der runde Geburtstag des viermal älteren Bezirkskrankenhauses Wöllershof denn zu einer Verdoppelung der Festtagsfreude führen?

Die Antwort auf diese Frage gaben rund 300 Besucher am Samstag im fast voll besetzten Festsaal Wöllershof und reagierten auf das Resultat begeistert mit endlosem Applaus und Ovationen. Ärztlicher Direktor Dr. Heribert Fleischmann hatte zuvor in seiner Begrüßung an den allerersten Klinikleiter des Hauses erinnert, der vor 100 Jahren als "Menschenfreund und im Dienste der Nächstenliebe" seinen Patienten mitunter mit der Violine selbst etwas vorspielte, und stellte erfreut fest: "Wir haben heute regelmäßig seit zehn Jahren ein ganzes Orchester zu Gast."

Ehrgeizige Laufbahn

Dirigent Lutz Landwehr von Pragenau eröffnete den Abend bei Franz Schuberts 8. Sinfonie - dem ersten Werk, welches das Regensburger Orchester vor einem Vierteljahrhundert einstudiert hatte und eine ehrgeizige Laufbahn erfolgreich einschlug. Seit den Anfängen nahm das engagierte Laienorchester aus Musikliebhabern viele konzertante Herausforderungen an, zu denen regionalen Veranstaltern die Mittel oder der Mut fehlen und die dem Publikum besondere Freude bereiten: So gab es in Wöllershof schon Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" oder Schumanns "Frühlingssinfonie" zu erleben. Das zweisätzige Fragment Schuberts, die "Unvollendete" mit ihren nur zwei Sätzen, die erst zehn Jahre nach seinem Tod von Robert Schumann "freudeschauernd" aufgefunden worden waren, zelebrierten die hervorragend eingestimmten Streicher genussvoll, und krönte Oboist Florian Weber (Psychologiestudent) hoch professionell melodisch.
Mit sirrendem Silberklang schufen die Violinen unter Stimmführung von Michael Oppelt die zauberhafte Stimmung eines Sonnenaufgangs, zu dem immer wieder ein Kuckuck ruft. Der vor 100 Jahren verstorbene Komponist Gustav Mahler zeichnet hier einen Roman von Jean Paul nach. Vor dem inneren Auge des Zuhörers entsteht wie von selbst ein farbiger, romantischer Film, der eine idyllische Natur schildert, die am Ende zerstört wird. Griffige Lautmalerei, Jagdmotive von sieben Waldhörnern, Vogelstimmen sowie ein fernes Trompetertrio von der Empore herab bescherte dem Auditorium akustische Effekte in den ersten beiden Sätzen.

Luftsprünge auf Podium

Witz, Ironie und Skurrilität zeigten die Regensburger beim zweiten Teil von Mahlers titanischem Werk, bei der Beerdigung des Jägers durch die Waldtiere, bei wechselnden balladesken Szenen, Liedzitaten und klarinettenkreischender, lustvoller Klezmermusik. Das musikalisch zu schildernde finale Chaos führte zu keinem undurchsichtigen Stimmengewirr, sondern ließ die wilden Klangmassen, die sich alpin auftürmende Tongebirge, die Glissando-Wasserfälle und emotionalen Sturzbäche immer klar erkennen - unverwechselbar szenisch dirigiert durch Lutz Landwehr von Pragenau mit fliegenden Frackschößen und Luftsprüngen auf dem Podium. Mit diesem Mahler legten die Singrüner endgültig Ehre ein zum Geburtstag hoch Zwei. Die Zuhörer hielt es beim Schlussapplaus nicht auf den Sitzen.

Am Rande spannen Dirigent und Fritz Pustet (Violine spielender Verleger) schon Gedanken fürs nächste große Jubiläum: In 25 Jahren könnte als Steigerung nur die "Alpensinfonie" von Richard Strauß auf dem Probenplan stehen. Dazu benötigt man 120 Musiker und ein Fernorchester. Man ist doch auf bestem Weg.

Abdruck aus Der Neue Tag vom 16.05.2011