Aus den Flöten strömende Wasser

"Orchester am Singrün" begrüßt Nachbarland - Aufnahmen bei Konzert in Wöllershof für CD
Von Anastasia Poscharsky-Ziegler

Wöllershof

Es gibt in der Musikwelt kaum einen prächtigeren Anblick, kein farbenreicheres Ensemble als ein groß besetztes Symphonieorchester. Das wussten auch die über 400 Besucher im Festsaal Wöllershof, die sich am Samstag das Gastkonzert des Regensburger "Orchester am Singrün" unter Dirigat von Lutz Landwehr von Pragenau auf keinen Fall entgehen lassen wollten. Ärztlicher Direktor Dr. Heribert Fleischmann freute sich in seiner Begrüßung über die konstant gewachsene Resonanz der Öffentlichkeit, zum klassischen Konzert in die psychiatrische Klinik zu gehen. Wegen der hervorragenden Akustik des Festsaals wurde die Aufführung mit beliebten klassischen Werken von Smetana und Mussorgsky aufgezeichnet. Sie wird heuer als CD erscheinen.

Verständnis und Genuss

Zum Frühlingsanfang hatte sich das seit 18 Jahren bestehende Laienensemble eine ganz besonders attraktive Musikfolge einfallen lassen. Das Programmheft eröffnete dem Gast ungewöhnlich viele Möglichkeiten zu Verständnis und Genuss. Die malerische Reihe verführte gleich zu Beginn mit der beliebten Dichtung "Die Moldau" aus Bedrich Smetanas Zyklus "Mein Vaterland". Der Veranstalter wollte mit den aus den Flöten fließenden Quellen, dem stetig anwachsenden Strom, der tondynamisch etwa an einer Jagd und einer Hochzeit vorüberzieht, auch den direkten neuen europäischen Nachbarn begrüßen. Schon hier bei der "Moldau" zeigte sich die makellos reine und geschlossene Tonsprache der Streicher in allen Lagen und die weiche Klangqualität der Holzbläser. Die Oboe stand im Zentrum des Werks aus dem 20. Jahrhundert, einer Epoche für die sich der Dirigent - selbst eigentlich ein Oboist - vorbildlich einsetzt. Für Spannung sorgte zunächst der verzögerte Auftritt des Solisten Konrad Zeller. Es fehlte aber nur an den Noten für die Fagotte, die nicht zeitgerecht auf den Pulten lagen. Und so übernahm der hervorragende Interpret mit Stehvermögen und Atemvolumen seinen dominanten Part im Oboenkonzert von Richard Strauss: Spielwitz, Einfallsreichtum und starke erzählerische Qualitäten gefielen über alle drei Sätze, die fließend ineinander übergingen, bis sie bei der Kadenz vom Solisten höchste Virtuosität forderten, die mit tosendem Applaus belohnt wurde. Der schwergewichtige Höhepunkt stand mit Modest Mussorgskijs Zyklus "Bilder einer Ausstellung" noch an. Die Orchesterfassung von Maurice Ravel gilt als ein Glücksfall in der Literatur, und Kenner durften sich zudem auch auf das Dirigat des temperamentvollen Lutz Landwehr von Pragenau freuen. Strahlend eröffnete die Solotrompete die "Promenade" der Ausstellungsbesucher, malte das Ensemble sowohl mit dem dicken Ölpinsel den grotesken Gnom, als ruhiges Aquarell die Melancholie des alten Schlosses, oder mit feinen Strichen die Szene in den Pariser "Tuillerien".

Düsteres Gemälde

An Wildheit und geheimnisvollen Hexenmächten war das düstere Gemälde der Baba Yaga nur noch durch die Pompösität des "großen Tors von Kiew" zu überbieten: zu jedem Lufttanz des Taktstocks erklang ein Schlag vom Glockenspiel. Als Zugabe gab zur Beruhigung "Peer Gynt" von Edward Grieg.

Abdruck aus Der neue Tag Nr. 68 vom 22.3.2004