Spiel mit vollem Risiko

Singrün überzeugt nur teils mit gewagtem Programm
Von Gerhard Dietel, MZ

Regensburg. Nur gut 400 Kilometer lang ist es der Moldau vergönnt, frei dahinzufließen, bevor ihre Wasser in die Elbe münden. Kein Wunder, dass sie es auf ihrem Weg durch Böhmen nicht besonders eilig hat. Ganz ruhig ließen es darum Lutz Landwehr von Pragenau und das von ihm dirigierte �Orchesters am Singrün� bei Bedrich Smetanas Sinfonischer Dichtung �Die Moldau� angehen.
Gemächlich schlängelten sich in den Flöten, grundiert von Harfenklängen, die Quellflüsse der Moldau aus dem Böhmerwald bergab. Vom Ufer tönen Polkaklänge herüber, atmosphärisch dicht erklang dann das mondscheinüber- glänzte nächtliche Spiel der Wellen, bevor das �Moldau�- Haupt-Thema zurückkehrte: majestätisch gesteigert und schließlich ruhig verklingend.

Lebendiges Alterswerk

Eine sehr konzentrierte Leistung bot das Singrün-Ensemble bei diesem ersten Programmpunkt seines Konzerts im Velodrom, und auf gleichem Niveau übernahm es anschließend die Begleitfunktion in Richard Straussens Konzert für Oboe und kleines Orchester. Im Mittelpunkt stand hier freilich der Oboist Konrad Zeller, der dem etwas spröden klassizistischen Alterswerk von Strauss mit seiner Spielfreude Lebendigkeit verlieh. Leicht und schwerelos intonierte er den arabesken-reichen Oboenpart das Kopfsatzes, spannte im folgenden Andante weite melodische Bögen und schlug im Final-Allegro auch ein paar keckere Töne an.

Knifflige solistische Partien

Mit dem Grundsatz, sich hohe Aufgaben zu stellen und an ihnen zu wachsen, hat das Singrün-Orchester schon oft viel riskiert und ebenso oft viel gewonnen. Dass man sich diesmal an Mussorgskys �Bilder eine Ausstellung� wagte, war aber wohl doch etwas zu vermessen. Denn Ravels opulente Instrumentation von Mussorgskys Klavierzyklus fordert nicht nur eine reiche orchestrale Klangpalette, sondern bietet auch knifflige Aufgaben in solistischen Partien. Da flatterten bei manchem doch die Nerven, und auch im orchestralen Zusammenspiel und in der Klang- balance blieben Wünsche offen.
Lutz Landwehr von Pragenau drosselte den Spielern zuliebe die Tempi, doch eben dies tat der Gesamtwirkung zusätzlich Abbruch: eher skizzenhaft als ausstellungsreif wirkten die meisten der vorggeführten �Bilder�. Die Fans des Singrün-Orchester ließen sich dennoch zu anhaltenden Beifallskundgebungen hinreißen, so dass die Musiker nicht umhin kamen, über die Grieg-Zugabe hinaus noch eine Reprise von Mussorgskys �Großem Tor von Kiev� zu bieten.

(Abdruck aus der Mittelbayerischen Zeitung, Mittwoch 24. März 2004)